Dienstag, 24. August 2010

"Eine Kreuzfahrt die ist lustig... oder ... Reisen auf asiatisch"

Kreuzfahrt auf dem Yangtse (Samstag 21.08. - Montag 23.08.)

Wer kennt nicht das Bild der asiatischen Reisegruppen in Deutschland, die von einem fähnchentragenden Touristguide von einer Attraktion zur Nächsten getrieben werden. Ganz Europa in 6 Tagen. 10 Minuten pro Sehenswürdigkeit. Schnell hunderte von Fotos knipsen, möglichst mit sich selbst im Vordergrund, damit man beweisen kann, dass man tatsächlich da war...  Ja, ungefähr so verlief unser letztes Wochenende. Aber von vorn.
Die Tongji Medical School hatte alle Austauschstudenten zu einer Kreuzfahrt auf dem Yangtse eingeladen. Am Samstag um 12.00 Uhr ging es mit dem Reisebus ca. 250 km gen Westen in die Stadt Yichang. Hier steht der umstrittene Drei-Schluchten-Staudamm und im Hafen von Yichang war der Startpunkt unserer Reise. Wir erreichten die Stadt gegen 17.00 Uhr und wurden zunächst zum Abendessen in ein riesiges Restaurant eingeladen. In der dritten Etage führte man uns in einen Extraraum. Das ist in China üblich, da man vielfach geschäftliche Dinge beim Essen bespricht, wobei man nicht gestört werden möchte. Neben einem großen runden Tisch, gab es noch eine gemütliche Sitzecke in dem Raum und außerdem noch eine Teeküche inklusive zwei Kellnerinnen und ein westliche Toilette. Das Essen war  ausgesprochen gut (Chinesisch, aber europäisch mild zubereitet). Bereits bei der ersten Runde Tee wurde von unserer "englischsprachigen" Reiseleiterin verkündet, dass wir nur eine halbe Stunde Zeit hätten, da wir 18.00 Uhr auf dem Schiff sein müssten. Entsprechend stürzten sich alle auf die verschiedenen Gerichte. Dennoch vermochten wir es nicht, den Tisch so aussehen zu lassen wie es die Chinesen tun;o). Die ersten beiden Punkte (Anreise und Essen) waren also abgehakt und sogleich folgte das einchecken an Bord als dritter Punkt der Tagesordnung. Irgendwie zeichnete sich schon hier ab, dass die Zeitangaben problematisch waren. Nachdem wir uns beim Essen noch so beeilt hatten, um ja nicht das Schiff zu verpassen, saßen wir nun noch zwei Stunden auf dem "Sonnendeck" bei nebligen, feuchtwarmen 33°C und warteten darauf, dass die Tour begann.
Alle Reisenden eilten direkt nach dem Bezug ihrer Kabine auf Deck, um das Auslaufen des Schiffes aus dem Hafen nicht zu verpassen. Als sich nach einer halben Stunde immer noch nichts tat, begann man das Schiff zu erkunden. Da es nicht allzu groß war, war man damit bald fertig. Schließlich wurde dann der Haufen blonder und großer Europäer zur Hauptattraktion. Die nächsten eineinhalb Stunden wurden wir in der Gruppe, einzeln, mit und ohne Asiaten wahlweise asiatischen Kindern dauerfotografiert. Um 20.30 Uhr legte das Schiff dann endlich ab. Nachdem wir die erste Schleuse passiert hatten, verzogen wir uns aus dem Chinesenauflauf und suchten uns ein ruhigeres Plätzchen zum reden.
Am nächsten Morgen wurden wir passender Weise mit der Titelmusik von Titanic geweckt. Erschrocken ging der erste Blick aus dem Fenster. Gott sei dank, wir "schwammen" noch oben. Es erwartete uns nun ein chinesisches Frühstück mit Reis, Nudeln, Suppe, reichlich gedünstetem und gebratenem Gemüse und Fleisch. Glücklicherweise gab es aber auch gedämpftes Hefegebäck und Kekse. Das Hefegebäck ist eher geschmacksneutral, ein bißchen trocken und wird bei längerem Kauen mehr im Mund. Na ja, da ich das chinesisches Frühstück ja mittlerweile kenne und weiß, dass das nichts für mich ist, habe ich mich am Tag vorher mit reichlich Obst eingedeckt. Einer der Jungs hatte sogar Kaffee mit. Das zweite Frühstück war also gesichert ;o). Unsere Reiseleiterin legte uns übrigens noch ans Herz extra viel zu frühstücken, da es erst um 13.00 Uhr Mittag gäbe. Hier gab es dann also die nächste Zeitverschiebung. Denn als wir uns gerade wieder auf Deck tummelten und die Landschaft bestaunten, wurden wir bereits 11.30 Uhr zum Mittag gerufen. Wir begannen uns allmählich darauf einzustellen, dass die Zeitangaben flexibel zu handhaben sind. Das Mittagessen gab es diesmal im Séparée und war ganz gut.
Kurz darauf folgte der erste Zwischenstopp mit Umstieg auf kleinere Boote, die uns in den Fluss Shennong führten. Das ist ein kleiner Nebenfluss des Yangtse, der immer noch das bietet, was früher den Yangtse auszeichnete. Zerklüftete Berge, enge Schluchten, steile Felswände die schier in den Himmel ragen und unberührte Natur. Als die Schlucht am Ende selbst für die kleinen Boote zu schmal wurde, führte der Weg zunächst zu Fuß über das Wasser weiter und schließlich am Ufer auf einem in die Felswand geschlagenen Weg entlang. Laut Reiseleiter wäre am Ende des Weges eine wunderschöne Höhle zu finden gewesen, aber wieder einmal hatten wir nur eine halbe Stunde Zeit. Das war wirklich sehr schade, denn zum Einen hatte wir traumhaftes Wetter und zum Anderen fiel mir je weiter wir liefen auf, was mir in den letzten Wochen so fehlte. Ruhe! Die Chinesen sind es ja nicht gewöhnt länger als 30 Minuten auf den Beinen zu sein, deswegen machten sich die Meisten nach 15 Minuten brav wieder auf den Rückweg. Es wurden also weniger Menschen, die Schiffsmotoren waren weit weg und plötzlich stellte man fest wie angenehm ruhig es in der Natur sein kann. Man hörte den Fluss rauschen und Vogelgezwitscher, das Rauschen der Blätter im Wind und sonst nichts. Wie gerne hätte ich hier noch ein wenig Zeit verbracht, mir die Höhle angeschaut und einfach die Natur und die Ruhe genossen. Aber nichts da! Der Zeitplan muss doch eingehalten werden!
Wieder auf dem Mutterschiff angekommen ging die Fahrt dann noch durch die anderen beiden Schluchten bis zum zweiten und letzten Zwischenstopp mit Tempelbesichtigung. Vom Schiff herunter wurden wir an zahllosen Souvenirständen und Garküchen vorbei bis zur Busstation gescheucht. Per Shuttlebus wurden alle Schiffsreisenden zu einem Tempel gefahren.
Unsere Reiseleiterin gab uns diesmal sogar eine ganze Stunde Besichtigungszeit. Da aber keiner den Tempel kannte, war unklar ob das ausreichend oder sehr knapp bemessen war. Es stellte sich heraus, dass die Zeit reichlich bemessen war, denn der Tempel war relativ klein und mindestens eine halbe Stunde war für Fotoentwicklung eingeplant. Man konnte sich dort oben nämlich vor der Kulisse der ersten Schlucht ablichten lassen. Für die chinesischen Mitreisenden war es DER Höhepunkt der Reise, mir war es herzlich egal. Ich hätte mir lieber selber die Zeit zum fotografieren genommen, als mich für dieses eine Bild durch die Tempelanlage hetzen zu lassen. Zum Schluss fing es auch noch an zu regnen und wir machten uns sogar etwas eher  auf den Rückweg. Na ja, das Wetter passte zur Stimmung und so ging es dann wieder zurück. Jetzt war übrigens noch genügend Zeit, um in Schlangenlinien durch alle Souvenirstände geleitet zu werden. Das war mir dann wirklich zu viel der asiatischen Reisekultur und diesmal legte ich den Weg freiwillig in Rekordtempo zurück.
Der Ankündigung, dass es am nächsten Morgen 06.30 Uhr Frühstück gäbe und wir um 07.00 Uhr von Bord müssten, sahen wir relativ gelassen entgegen. Leider sollte die Reiseleiterin diesmal Recht behalten. Vom Schiff ging es auch direkt wieder in den Bus. Wir erbettelten uns noch die Möglichkeit wenigstens noch ein Foto vom Staudamm machen zu können, an dem unsere Reise endete. Danach ging es mit dem Bus die 35 km vom Staudamm nach Yichang und von dort wieder zurück nach Wuhan.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen